E-Learning Arbeitssicherheit: Praxisnähe und gute Verständlichkeit

Arbeitssicherheit Interview Lieske Brühl

Im Interview: Susann Lieske-Brühl, Fachanwältin für Arbeitsrecht

Die Umsetzung von Arbeitssicherheit bzw. Arbeitsschutz ist für Unternehmen nicht nur zwingend, wenn es darum geht, Unfälle im Arbeitsumfeld zu verhindern. Das Thema wirft für Laien auch viele Fragen auf. Susann Lieske-Brühl beleuchtet relevante Fragen für Unternehmen aus rechtlicher Sicht und erklärt, welche Vorteile es hat, das E-Learning von keeunit zu absolvieren, anstatt sich selbst durch Verordnungen zu kämpfen.  

 

Was ist die größte Herausforderung in diesem Bereich?

Die größte Herausforderung besteht darin, bei der Vielzahl von Arbeitsschutzvorschriften, die auf unterschiedliche Gesetze und Regelwerke verteilt sind, den Überblick zu behalten, um so den Arbeitnehmern den bestmöglichen Arbeitsschutz bieten zu können und darüber hinaus behördliche Bußgelder und Strafen zu vermeiden.

 

Was sind die Vorteile des Erklärvideos Arbeitsschutzsicherheit bzw. was gefällt Ihnen daran?

Mir gefallen die Praxisnähe und die gute Verständlichkeit.

 

Warum ist das Thema Arbeitsschutzsicherheit für Unternehmen wichtig?

618 BGB verpflichtet den Dienstberechtigten und Arbeitgeber Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit so weit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.

Es geht also um die Gewährleistung der Sicherheit am Arbeitsplatz, d. h. den Schutz vor gesundheitlichen Gefährdungen bei der Arbeit und durch die Arbeit im Wege des Unfallschutzes, der Vermeidung von Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Erkrankungen.

Neben eingangs zitierter Vorschrift aus dem BGB finden sich auch in einer Vielzahl anderer Gesetze (ArbSchG, ASiG etc.) und Regelwerke (ArbeitsstättenVO, DGUV etc.) weitere, spezifische Pflichten für den Arbeitgeber. Missachtet der Arbeitgeber eine dieser Pflichten und resultiert hieraus ein Arbeitsunfall, besteht das Risiko, dass er für die beim Arbeitnehmer entstandenen Schäden haftet. Dies kann mit erheblichen Kosten verbunden sein.

 

Müssen Unternehmen den Lernerfolg prüfen bzw. Nachweise erbringen?

Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) schreibt in § 12 vor, dass der Arbeitgeber die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit während ihrer Arbeitszeit ausreichend und angemessen zu unterweisen hat. Dies umfasst Anweisungen und Erläuterungen, die eigens auf den Arbeitsplatz oder den Aufgabenbereich der Beschäftigten ausgerichtet sind.

Eine anschließende Überprüfung des Lernerfolges durch den Arbeitgeber oder auch nur der schriftliche Nachweis der Unterweisung ist im ArbSchG nicht explizit vorgeschrieben. Diverse Spezialvorschriften hingegen (etwa die GefahrstoffVO) verpflichten den Arbeitgeber, Inhalt und Zeitpunkt der Unterweisung schriftlich festzuhalten und von den Unterwiesenen durch Unterschrift zu bestätigen. Auch das Autonome Recht der Unfallversicherungsträger (DGUV) verlangt die Dokumentation der Unterweisung hinsichtlich Unternehmen, Inhalt der Unterweisung sowie Name und Unterschrift der Beteiligten. Letzteres begründet zwar keine gesetzliche Pflicht, kann aber für Haftungsfragen relevant sein!

Grundsätzlich ist darüber hinaus Folgendes zu bedenken: Sinn und Zweck der Unterweisung ist, dass die Beschäftigten die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben und trainieren sollen, um sich sicherheits- und gesundheitsgerecht bei ihrer Arbeit zu verhalten. Die Unterweisung ist also mehr als eine bloße Belehrung. Der Zweck der Bestimmung verlangt vielmehr, dass der Arbeitgeber sich der anerkannten Methoden der Arbeitspädagogik und Arbeitspsychologie bedient. Eine Verständniskontrolle und deren schriftliche Fixierung kann also sinnvoll sein, um sicherzustellen, dass die Unterweisung ihren Zweck erfüllt hat und der Arbeitgeber damit seine gesetzlichen Pflichten einhält.

 

Welche Konsequenzen drohen Unternehmen, wenn die Pflichtschulung nicht angeboten wird?

Das Arbeitsschutzrecht begründet einerseits öffentlich-rechtliche Pflichten des Arbeitgebers. Das bedeutet, dass die Verpflichtung zur Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften grundsätzlich gegenüber dem Staat besteht. Ihre Durchführung wird im Verwaltungswege, vor allem durch die Gewerbeaufsichtsämter, überwacht; ihre Verletzung kann eine Ordnungswidrigkeit oder sogar Straftat darstellen.

Daneben bestehen die arbeitsschutzrechtlichen Pflichten aber auch privatrechtlich gegenüber dem Arbeitnehmer. Vielfach, etwa im Falle der Unterweisung nach § 12 ArbSchG („Pflichtschulung“‘), handelt es sich um vertragliche Nebenpflichten.

Hält der Arbeitgeber die Arbeitsschutzvorschriften nicht ein, steht dem Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht (§ 273 BGB) bis zur ordnungsgemäßen Durchführung der geforderten Arbeitsschutzmaßnahme, etwa der erforderlichen Unterweisung, zu. Darüber hinaus hat der Arbeitnehmer ggf. einen Anspruch auf Schadensersatz (§ 280 BGB), wenn der Arbeitgeber schuldhaft eine arbeitsschutzrechtliche Pflicht verletzt und hierdurch der Arbeitnehmer selbst oder ihm gehörende Sachen beschädigt werden.

Die Schäden werden zwar vielfach von der Unfallversicherung getragen und die Haftung des Arbeitgebers ist deshalb beschränkt (§ 104 SGB VII). Zu beachten ist aber, dass nach § 110 SGB VII der Unfallversicherungsträger den Unternehmer bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit in Regress nehmen kann. Bei einem Verstoß gegen die DGUV nimmt die Rechtsprechung regelmäßig grobe Fahrlässigkeit an, sodass es dem Arbeitgeber schwerfallen wird, den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit zu widerlegen, wenn er eine Unterweisung nicht, nicht richtig oder nicht umfassend genug durchgeführt hat.

 

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Können Unternehmen ihre Mitarbeiter zwingen, die Pflichtschulung Arbeitssicherheit zu absolvieren?

Auf die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften kann nicht – auch nicht seitens der Arbeitnehmer – verzichtet werden. Dies bedeutet, dass die Arbeitnehmer im Rahmen ihres Arbeitsvertrags die Pflicht haben, an den Unterweisungen aufmerksam teilzunehmen.

 

Welche Konsequenzen drohen Mitarbeitern, wenn sie die Schulung nicht absolvieren?

Die Missachtung der Pflicht, an Unterweisungen teilzunehmen, kann arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Da es sich bei der Teilnahme an Unterweisungen um eine gewöhnliche vertragliche Nebenpflichten des Arbeitnehmers handelt, kommen sämtliche Maßnahmen des Arbeitgebers in Betracht, die dieser auch in anderen Fällen der (Neben-) Pflichtverletzung anwenden kann. Dies sind zum einen disziplinarische Konsequenzen wie Abmahnung und bei beharrlicher Verweigerung ggf. auch Kündigung.

Zudem ist es bei bestimmten besonders gefährlichen Tätigkeiten möglich, dass nicht unterwiesene Arbeitnehmer die betreffende Tätigkeit nicht durchführen dürfen, der Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer somit die betreffenden Aufgaben nicht zuweisen kann. Der Arbeitgeber muss in diesem Fall dem Mitarbeiter aber dann wie im Fall einer Arbeitsverweigerung kein Entgelt zahlen. Unter Umständen können sogar Schadensersatzansprüche in Betracht kommen.

 

Was passiert, wenn es trotzdem zu einem Unfall kommt?

Auch wenn der Arbeitnehmer die Teilnahme an einer Unterweisung verweigert hat, kommt ihm im Falle eines Arbeitsunfalles nach wie vor der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zugute, da die unfallversicherungsrechtlichen Leistungen im Grundsatz verschuldensunabhängig gewährt werden. Nach dem Arbeitsunfall ist also wie üblich zu verfahren; der Arbeitnehmer hat den Durchgangsarzt aufzusuchen und der Arbeitgeber hat gegenüber der Berufsgenossenschaft innerhalb von drei Tagen Unfallanzeige zu erstatten (soweit der Unfall mit einer mehr als dreitägigen Arbeitsunfähigkeit verbunden ist). Der Arbeitgeber ist dann – außer bei Vorsatzvon der Haftung freigestellt (§ 104 SGB VII).

Von Relevanz kann die Pflichtverletzung durch den Arbeitnehmer aber bei den haftungsrechtlichen Folgefragen des Unfalls sein. Nimmt der Unfallversicherungsträger gemäß § 110 SGB VII den Unternehmer in Regress, etwa weil dieser die Unterweisung grob fahrlässig (Verstoß gegen DGUV) fehlerhaft (oder gar nicht) durchgeführt hat, so ist dieser Anspruch auf die Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches begrenzt. Ein etwaiges Mitverschulden des Arbeitnehmers nach § 254 BGB wirkt sich hierbei schadensmindernd aus.

Dem Arbeitnehmer wird regelmäßig ein erhebliches Mitverschulden an dem Unfall vorzuwerfen sein, soweit der Unfall durch die Teilnahme an der Unterweisung nicht oder nicht in gleichem Umfang passiert wäre. Das Mitverschulden ist freilich auch dann zu berücksichtigen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer direkt haftet, etwa wenn das Haftungsprivileg in § 104 SGB VII nicht greift.

 

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Wo treten häufig Probleme auf, bzw. welche Unfälle ließen sich leicht vermeiden?

Grundsätzlich können an jedem Punkt des Arbeitsablaufes Probleme auftreten und im Nachhinein erscheinen viele Arbeitsunfälle als vermeidbar. Die Risikoquellen betreffen eine Vielzahl möglicher Fallgestaltungen, etwa schlichte Stolperfallen auf dem Betriebsgelände, die fehlende Erfahrung der Arbeitnehmer bezüglich der Arbeitsvorgänge, routinebedingt unachtsam ausgeführte Arbeitsbewegungen, die fehlerhafte Benutzung von Arbeitsgeräten bzw. die Benutzung fehlerhafter Arbeitsgeräte.

Eine abschließende Aufzählung ist naturgemäß nicht möglich. Unverzichtbar sind deshalb präventive Arbeitsschutzmaßnahmen, die das Sicherheitsbewusstsein der Arbeitnehmer generell sowie in Bezug auf spezifische Gefahrenquellen schärfen, z.B. Unterweisungen iSd. § 12 ArbSchG.

 

Welche Unfälle passieren statistisch am häufigsten?

Ausweislich der Daten der DGUV ereigneten sich im Jahre 2018 insgesamt 786.803 meldepflichtige Arbeitsunfälle, die eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen oder den Tod zur Folge hatten.

29,7 % der Unfälle passierten aus der Bewegung heraus (Gehen, Laufen, etc.); 17,2% resultierten aus der manuellen oder motormanuellen Arbeit mit einem Werkzeug; 20,1 % hatten die manuelle Handhabung von Gegenständen als Ursache (In die Hand nehmen, Halten, Binden, Öffnen, Schließen usw.); 11,4 % erfolgten aufgrund des Transports von Gegenständen und 5,4 % resultierten aus der Bedienung einer Maschine. Die restlichen 16,6 % können nicht genau zugeordnet werden.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass Materialschäden lediglich zu 8,6 % der meldepflichtigen Arbeitsunfälle führten, während 49,0 % der Unfälle Bewegungen des Verletzten zugrunde lagen und 33,3 % den Kontrollverlust über Werkzeuge, Maschinen und Transportmittel als Ursache hatten.

Unterteilt auf die verschiedenen Wirtschaftszweige ergeben die Daten der DGUV folgendes Bild: Verarbeitendes Gewerbe/Herstellung von Waren 28 %; Baugewerbe/Bau 15,5 %; Handel; Instandhaltung und Reparatur von KFZ 14,2 %; Verkehr & Lagerei 10,1 %; Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen 9,1 %; Gesundheits- & Sozialwesen 8,1 %; Gastgewerbe/Beherbergung & Gastronomie 4,2 %; Kunst, Unterhaltung & Erholung 1,9; Sonstige 8,9 %.

Die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle lag 2020 bei 399. Näheres unter https://www.dguv.de/de/zahlen-fakten/au-wu-geschehen/index.jsp

Weitergehende Informationen aus dem Jahr 2020 unter:

https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/4271

Bei welcher Art von Unfällen besteht Unsicherheit bei den Arbeitgebern, ob es sich um einen Arbeitsunfall handelt oder nicht?

Der Begriff des Arbeitsunfalls ist in § 8 SGB VII definiert. Arbeitsunfälle sind demnach Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind hierbei definiert als zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Die versicherte Tätigkeit muss kausal geworden sein („infolge“) für den Unfall. Hierdurch werden solche Unfälle aus dem Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung ausgeschieden, deren wesentliche Ursache nicht in der versicherten Tätigkeit liegt, sondern die der unversicherten Privatsphäre zuzurechnen sind (etwa Alkoholeinfluss).

Schließlich muss der Unfall wiederum kausal sein für den Gesundheitsschaden, was dann Bedeutung erlangen kann, wenn das Unfallereignis auf einen bereits vorhandenen Körperschaden einwirkt.

Als versicherte Tätigkeit ist auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit anzusehen. Sog. Wegeunfälle sind also auch als Unterfall des Arbeitsunfalls anzusehen. Umwege des versicherten Fahrers, um die eigenen Kinder fremder Obhut anzuvertrauen oder eine Fahrgemeinschaft zu bilden, stehen der Annahme eines Wegeunfalls nicht entgegen.

Weicht der Fahrer jedoch aus privaten Gründen vom Weg ab (Einkäufe, Besuche), steht er nicht unter Versicherungsschutz.

Die Frage, ob ein Unfall im konkreten Fall die vorbezeichneten Voraussetzungen erfüllt und damit als Arbeitsunfall gilt, ist stets vom individuellen Einzelfall abhängig.

 

Vielen Dank für das Interview!

 

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